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Scham in der Pflege

Verständnis und Empathie als Schlüssel zur Unterstützung

Lesedauer: 13 Minuten
Autor: Ella Rohrhirsch
Erstellt: 5.10.2023

Die Pflege von kranken oder pflegebedürftigen Menschen ist eine noble Aufgabe, die jedoch oft von einem kaum besprochenen, aber dennoch bedeutenden Aspekt begleitet wird: Scham. Schamgefühle können sowohl bei den Pflegebedürftigen als auch bei den pflegenden Angehörigen auftreten und erhebliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Qualität der Pflege haben. In diesem Artikel werden die Ursachen und Auslöser von Scham in der Pflege untersucht und Lösungsansätze aufgezeigt, wie Verständnis und Empathie als Schlüssel zur Unterstützung dienen können.

1. Ursachen und Auslöser von Scham bei Pflegebedürftigen

Scham bei Pflegebedürftigen ist ein komplexes Gefühl, das aus verschiedenen Ursachen und Auslösern resultieren kann. Das Verständnis dieser Faktoren ist entscheidend, um angemessene Unterstützung bieten zu können.

1.1 Körperliche Aspekte

Die körperlichen Veränderungen, die im Alter oder aufgrund von Krankheit auftreten, können erhebliche Schamgefühle auslösen. Pflegebedürftige können sich aufgrund von Funktionsverlusten oder Deformationen in ihrem Körper unwohl fühlen. Die Unfähigkeit, einfache Alltagsaufgaben wie das Ankleiden oder die Körperpflege selbstständig auszuführen, kann zu einem Gefühl der Erniedrigung führen. Inkontinenzprobleme, bei denen die Kontrolle über die Ausscheidungsorgane verloren geht, sind ein besonders heikles Thema, das Scham hervorrufen kann. Pflegekräfte sollten in solchen Situationen äußerste Sensibilität zeigen und die Privatsphäre und Würde der Pflegebedürftigen respektieren.

1.2 Privatsphäre und Intimität

Die Pflegebedürftigen können auch Scham empfinden, wenn sie gezwungen sind, ihre Privatsphäre und Intimität aufzugeben. Das Ausziehen vor anderen Personen, sei es Pflegepersonal oder Angehörige, kann als unangenehm empfunden werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Pflegebedürftigen zuvor immer eigenständig und selbstbestimmt in solchen Situationen agieren konnten. Die Tatsache, dass sie nun auf die Hilfe anderer angewiesen sind, kann das Gefühl der Abhängigkeit verstärken und somit Scham hervorrufen.

1.3 Abhängigkeit und Verlust der Autonomie

Der Verlust der Autonomie ist ein zentraler Auslöser von Scham bei Pflegebedürftigen. Menschen sind von Natur aus bestrebt, selbstständig zu handeln und Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. Wenn diese Autonomie durch Pflegebedürftigkeit eingeschränkt wird, kann dies zu einem starken Verlust des Selbstwertgefühls führen. Das Gefühl, anderen zur Last zu fallen, ist tief verwurzelt und kann zu erheblicher Scham führen. Pflegekräfte sollten sich dieser Gefühle bewusst sein und den Pflegebedürftigen die Möglichkeit geben, so viel Kontrolle wie möglich über ihre Pflegeentscheidungen zu behalten.

Zusammenfassend sind die körperlichen Veränderungen, der Verlust der Privatsphäre und Intimität sowie der Verlust der Autonomie die Hauptauslöser von Scham bei Pflegebedürftigen. Diese Faktoren können das Selbstwertgefühl erheblich beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Pflegekräfte sollten einfühlsam und sensibel sein, um diesen emotionalen Herausforderungen angemessen zu begegnen und die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen zu respektieren.

2. Scham bei pflegenden Angehörigen

Scham ist nicht nur ein Gefühl, das Pflegebedürftige erleben, sondern es betrifft auch pflegende Angehörige, die sich oft in einer komplexen und anspruchsvollen Situation befinden. Die folgenden Punkte beleuchten die Herausforderungen, die pflegende Angehörige in Bezug auf Scham erfahren können.

2.1 Die Herausforderungen der Pflege

Die Pflege eines geliebten Menschen kann eine immense physische und emotionale Belastung darstellen. Pflegende Angehörige stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, darunter das Bewältigen von Medikationen, das Unterstützen bei täglichen Aktivitäten, das Umgangen mit medizinischen Notfällen und das Koordinieren von Arztterminen. Diese Aufgaben können überfordernd sein und das Gefühl der Hilflosigkeit verstärken.

2.2 Eigene Gefühle der Hilflosigkeit und Scham

Pflegende Angehörige können sich selbst gegenüber Schamgefühlen ausgesetzt sehen, insbesondere wenn sie sich überfordert oder unzureichend in der Pflege fühlen. Sie könnten das Gefühl haben, dass sie ihren geliebten Menschen nicht ausreichend unterstützen oder ihre eigenen Grenzen nicht ausreichend setzen. Dies kann zu Schuldgefühlen führen, die wiederum Scham auslösen können.

Die Scham, die pflegende Angehörige empfinden, kann tief verwurzelt sein und mit Erwartungen, Rollen und gesellschaftlichen Normen in Bezug auf Pflege zusammenhängen. Die Vorstellung, dass sie die Pflege ihres geliebten Menschen nicht "richtig" machen oder nicht in der Lage sind, mit den Herausforderungen umzugehen, kann das Selbstwertgefühl stark beeinflussen.

Die Bewältigung der eigenen Schamgefühle kann für pflegende Angehörige eine große Herausforderung sein, aber es ist entscheidend, damit sie sich nicht isoliert oder überfordert fühlen. Das Erkennen und Ansprechen dieser Emotionen kann dazu beitragen, Unterstützung und Entlastung zu finden.

Insgesamt verdeutlicht die Scham, die pflegende Angehörige erleben können, die Bedeutung der Selbstfürsorge und des Zugangs zu psychologischer Unterstützung. Es ist wichtig, dass pflegende Angehörige verstehen, dass es normal ist, sich in dieser Situation überfordert und schambehaftet zu fühlen, und dass es Wege gibt, um Unterstützung zu erhalten und mit diesen Gefühlen umzugehen. Die Anerkennung ihrer eigenen Bedürfnisse und die Suche nach Unterstützung sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer gesunden Pflegebeziehung.

3. Verständnis als erster Schritt zur Unterstützung

Verständnis ist der Schlüssel, um Scham in der Pflege angemessen anzugehen und Pflegebedürftige sowie pflegende Angehörige zu unterstützen. Dieser Abschnitt erläutert, wie Verständnis als erster Schritt zur Scham-Reduktion dienen kann:

3.1 Wissen um individuelle Bedürfnisse und Grenzen

Um Verständnis zu entwickeln, ist es entscheidend, die individuellen Bedürfnisse und Grenzen der Pflegebedürftigen zu kennen. Jeder Mensch ist einzigartig, und die Auslöser von Scham können stark variieren. Pflegekräfte sollten sich die Zeit nehmen, die persönliche Geschichte und die Präferenzen ihrer Pflegebedürftigen zu verstehen. Ein individueller Ansatz, der die Einzigartigkeit jedes Menschen respektiert, kann dazu beitragen, Schamgefühle zu minimieren.

3.2 Kommunikation und aktives Zuhören

Offene und einfühlsame Kommunikation ist ein wichtiger Schritt zur Scham-Reduktion. Pflegende sollten bereit sein, Gespräche über die Ängste und Sorgen ihrer Pflegebedürftigen zu führen. Das aktive Zuhören ist dabei von großer Bedeutung. Dies bedeutet, nicht nur die Worte zu hören, sondern auch die Emotionen und Bedürfnisse hinter den Worten zu erkennen. Durch einfühlsame Gespräche können Pflegende Vertrauen aufbauen und Unterstützung anbieten.

3.3 Sensibilität für nonverbale Signale

Oft äußern sich Schamgefühle nicht in direkter Kommunikation, sondern durch nonverbale Signale wie Körpersprache oder Mimik. Pflegende sollten sensibel für diese Zeichen sein, da sie oft auf unausgesprochene Ängste oder Unbehagen hinweisen. Eine einfühlsame Reaktion auf diese nonverbalen Signale kann dazu beitragen, Schamgefühle zu erkennen und anzugehen.

3.4 Die Bedeutung von Zeit und Geduld

Verständnis erfordert Zeit und Geduld. Pflegebedürftige müssen die Gelegenheit haben, sich wohl und akzeptiert zu fühlen. Drängen oder Ungeduld seitens der Pflegenden kann die Scham verstärken. Es ist wichtig, den Pflegebedürftigen die Freiheit zu geben, ihre Emotionen in ihrem eigenen Tempo zu teilen und zu verarbeiten. Dies kann bedeuten, dass Pflegeprozesse langsamer ablaufen, um den Bedürfnissen und dem Komfort der Pflegebedürftigen gerecht zu werden.

4. Empathie als Schlüssel zur Scham-Reduktion

Empathie ist ein entscheidender Faktor bei der Bewältigung von Scham in der Pflege. Sie ermöglicht es, sich in die Gefühle und Erfahrungen der Pflegebedürftigen einfühlen zu können, was wiederum dazu beiträgt, Scham zu reduzieren. Es folgen weitere Einzelheiten darüber, wie Empathie als Schlüssel zur Scham-Reduktion fungieren kann.

4.1 Einfühlungsvermögen entwickeln

Empathie erfordert die Fähigkeit, sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinzuversetzen und ihre Emotionen nachzuvollziehen. Es bedeutet, die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen und sich bewusst zu machen, wie es sich anfühlt, in einer Situation zu sein, die Scham auslöst. Pflegende sollten versuchen, sich in die Gedanken und Gefühle ihrer Pflegebedürftigen hineinzuversetzen, um ein tieferes Verständnis zu entwickeln.

4.2 Perspektivwechsel

Ein Perspektivwechsel kann dazu beitragen, Empathie zu fördern. Pflegende sollten versuchen, die Situation aus der Sicht der Pflegebedürftigen zu betrachten. Dies kann bedeuten, sich vorzustellen, wie es ist, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren oder von anderen in intimen Momenten unterstützt zu werden. Durch diesen Perspektivwechsel können Pflegende sensibler auf die Bedürfnisse und Gefühle der Pflegebedürftigen reagieren.

4.3 Unterstützung ohne Urteil

Empathie beinhaltet, Unterstützung ohne Urteil anzubieten. Pflegende sollten die Gefühle der Scham, die Pflegebedürftige möglicherweise erleben, akzeptieren, ohne zu urteilen oder zu kritisieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass Schamgefühle in der Pflege normal sind und keine Schuld oder Scham darüber ausgelöst werden sollte. Durch ein urteilsfreies Umfeld fühlen sich Pflegebedürftige akzeptiert und respektiert.

4.4 Gemeinsame Lösungen finden

Empathie kann dazu beitragen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die die Scham reduzieren. Pflegende und Pflegebedürftige können zusammenarbeiten, um Wege zu finden, wie bestimmte Aktivitäten oder Pflegemaßnahmen angenehmer gestaltet werden können. Dies kann dazu beitragen, die Selbstachtung der Pflegebedürftigen zu stärken und ihr Wohlbefinden zu verbessern.

5. Praktische Ansätze zur Unterstützung

Die Bewältigung von Scham in der Pflege erfordert nicht nur Verständnis und Empathie, sondern auch konkrete Handlungsansätze, um Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen zu helfen. Im Folgenden werden praktische Ansätze zur Unterstützung erläutert.

5.1 Pflegepläne und Maßnahmen an individuelle Bedürfnisse anpassen

Eine wichtige Maßnahme zur Scham-Reduktion ist die Anpassung von Pflegeplänen und Pflegemaßnahmen an die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Pflegebedürftigen. Dies kann bedeuten, bestimmte Aktivitäten zu verschieben, um die Privatsphäre der Pflegebedürftigen zu wahren, oder alternative Pflegeansätze zu finden, die weniger schambehaftet sind. Ein individuell zugeschnittener Pflegeplan trägt dazu bei, die Autonomie und Würde der Pflegebedürftigen zu bewahren.

5.2 Wahrung der Privatsphäre und Würde

Die Wahrung der Privatsphäre und Würde der Pflegebedürftigen ist von entscheidender Bedeutung. Pflegende sollten diskret vorgehen und sicherstellen, dass die Intimsphäre respektiert wird. Dies kann durch das Bereitstellen von Sichtschutzmöglichkeiten, die Abstimmung von Pflegezeiten auf die Vorlieben der Pflegebedürftigen und die Verwendung von Schutzkleidung zur Unterstützung bei der Körperpflege erreicht werden.

5.3 Unterstützung bei der Bewältigung von Schamgefühlen

Pflegende sollten nicht nur die physischen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen berücksichtigen, sondern auch emotionale Unterstützung anbieten. Dies beinhaltet das Gespräch über Schamgefühle und Ängste, die Pflegebedürftige erleben könnten. Die Möglichkeit zum Austausch und zur Verarbeitung dieser Gefühle kann dazu beitragen, die emotionale Belastung zu reduzieren.

5.4 Einbeziehung von professioneller Hilfe und Beratung

In einigen Fällen kann die Scham so stark sein, dass eine professionelle psychologische Unterstützung notwendig ist. Pflegende sollten nicht zögern, professionelle Hilfe oder Beratung für die Pflegebedürftigen in Betracht zu ziehen, wenn Schamgefühle schwerwiegend sind oder anhalten. Psychologen und Therapeuten können Techniken und Strategien anbieten, um mit Schamgefühlen umzugehen und das Selbstwertgefühl zu stärken.

Die praktischen Ansätze zur Unterstützung konzentrieren sich auf die bedürfnisorientierte Pflege, die Wahrung der Würde und Privatsphäre, die emotionale Unterstützung und die Einbeziehung professioneller Hilfe, wenn dies notwendig ist. Durch diese Maßnahmen können Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ein unterstützendes Umfeld erleben, das dazu beiträgt, Schamgefühle zu reduzieren und die Pflegeerfahrung insgesamt zu verbessern.

6. Fazit

Scham in der Pflege ist ein weit verbreitetes, aber oft unterschätztes Problem. Verständnis und Empathie sind entscheidend, um Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen zu helfen, mit Schamgefühlen umzugehen. Die Anpassung von Pflegeplänen, die Wahrung der Privatsphäre und die Unterstützung bei der Bewältigung von Schamgefühlen sind praktische Ansätze zur Scham-Reduktion. Letztendlich ist es wichtig zu erkennen, dass Scham in der Pflege ein normales, menschliches Gefühl ist und dass eine einfühlsame und respektvolle Pflege dazu beitragen kann, diese Gefühle zu minimieren und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu verbessern.

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